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,,Lieblich ihr hauch war, süss, wie der odem der weidenden färse. Wenn in den gluten der ernte sie bier, das gebraut in dem hause, Mittags trug zu den schnittern, wie strahlte das mädchen da liebreich!

-

Schöner sie sonntags sah wenn die heiligen klänge der glocken Segneten morgens die luft, - gleich priestern mit wedeln von isop Segnend der gläubigen scharen, hin über sie spendend die gnade, Wenn sie die strasse durchschritt mit dem rosenkranz mit dem gebetbuch,

Prangend im nordischen häubchen, im blauen korsette, im

ohrschmuck, Einstens in Frankreich gekauft, seitdem als ein heil'ges vermächtnis Stets von der mutter zur tochter vererbt durch unzähl'ge geschlechter."

Weitere proben bieten die folgenden verse 36, 38, 40, 45, 82, 84, 85, 91, 94, 100, 107, 110, 135, 149. Auch der artikel vor eigennamen muss dazu dienen, den hexameter in ordnung zu bringen. Siehe v. 126: „Des Basil dampfender schmiede." Ebenso wird der wortstellung häufig genug gewalt angethan. Doch es würde zu weit führen, alle die verschrobenheiten, welche der verfasser dem verse zuliebe verübt, aufzuzählen. Auch wo er der sprache nicht gewalt anthut, sind des verfassers verse häufig genug bedenklich. Hätte er gefühl für rhythmische wirkung, so würde er unmöglich sich mit hexametern zufrieden geben können, in denen „als ob er“ (128) oder „eisen dann" (129) den ersten daktylus bilden.

Die ungenauigkeiten der wiedergabe bieten sich in hinreichender menge dar. Ich habe mich darauf beschränkt, nur einige stellen zusammenzutragen.

V. 61. Im herrlichen gute

60.

On his goodly acres.

93. Rings darum eiserne reifen 91. Fastened with iron. 104. Zahlloser fähnechen (!) schar sang wechselnd vom ewigen wechsel - 102. Numberless noisy weathercocks rattled and sang of mutation.

103. Flüsternd von liebe zumal

of love.

86. Umschlungen von winden

wreathing around it.

101. Murmuring ever

84. With a woodbine

Woodbine mit „winden" zu übersetzen, ist nicht nur eine ungenauigkeit, sondern ein offenbarer fehler.

Kurzum, wo immer man den massstab ansetzt, ist die arbeit nicht imstande, auch nur den mässigsten anforderungen zu genügen. Schülerhaft scheint uns auch die superlativistische redeweise, in der sich der verfasser, unabhängig vom original, fortwährend gefällt. Auch hiervon einige pröbchen. V. 40. in blutrotblitzenden miedern 37f. In kirtles scarlet. V. 47. Mit worten der innigsten liebe 46. With words of affectionate 65. Fair was

welcome. V. 67. Wundervoll strahlte die maid

she to behold. V. 70. Lieblich ihr hauch war, süss 68. Sweet was her breath. V. 109. Seligkeit war es ihr händchen zu fassen 107. Happy was he who might touch her hand. V. 141. Glück durchzitterte den 139. Lucky was he.

Zum schluss noch einige belege dafür, dass die sprache des übersetzers auch in grammatischer hinsicht nicht frei von tadel ist. Wie will er eine form wie „fähnechen“ (v. 104) rechtfertigen, oder eine wortverbindung wie „Heinrich-zeiten" (v. 34)? Wie stümperhaft erscheint sein deutsch in wendungen wie folgende: „Im norden enttauchte Blomidon ferne empor mit den urwaldsbäumen" (v. 28f.). Stattlich und kraftvoll schaute der mann von siebenzig jahren“ (v. 64). „Schöner sie sonntags sah wenn" (v. 73).

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Dass die interpunktion zum mindesten eine seltsame ist, wird man schon aus den mitgeteilten proben ersehen haben.

Alles in allem genommen, macht die besprochene übersetzung einen wenig günstigen eindruck, und der verfasser hatte zu den folgenden selbstbewussten worten in seiner vorrede wenig berechtigung: „Ich glaubte es dem deutschen volke schuldig zu sein ihm diese. schönen und herrlichen dichtungen eines der grössten amerikanischen dichter zugänglich zu machen.“

Evangeline. Amerikanische idylle von Henry Wadsworth Longfellow. Übersetzt von Karl Knortz. Leipzig, druck und verlag von Philipp Reclam jun.

Man sollte denken, dass eine schwächere übersetzung als die vorhin besprochene nicht geliefert werden könnte. Und

Die Neueren Sprachen. Bd. IX. H. 1.

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doch hat Simon die zweifelhafte genugthuung, dass ein anderer ein noch elenderes machwerk auf den büchermarkt gebracht. hat. Es ist dies die oben genannte übersetzung von Karl Knortz. Wer einen einblick in die andern mit Longfellow in verbindung stehenden bücher dieses deutschen professors in Amerika gethan, wer seine im rohesten bierbankstile erzählten und bisweilen zu travestien verzerrten indianischen märchen oder seine litterarhistorische studie über Longfellow, welche von fehlern und plattheiten wimmelt, gelesen hat, wird von der übersetzungsarbeit des biedermannes ohnehin nicht viel Aber was er den deutschen lesern zu bieten wagt, übersteigt bei weitem die grenzen alles dessen, was man für erlaubt und möglich halten sollte. Es erscheint uns unbegreiflich, wie eine solche leistung in einer deutschen universalbibliothek aufnahme finden konnte.

erwarten.

Lassen wir auch in dieser besprechung zunächst einmal das verhältnis zum original ganz ausser acht und prüfen lediglich die technische vollendung der verse. Sie sind in vielen fällen von solcher beschaffenheit, dass sie kaum schlechter gedacht werden können. Ich beschränke mich darauf, ohne weiteren kommentar dem leser eine blütenlese aus einigen der anstössigsten stellen zu bieten.

S. 62, v. 12. Heiss und rot brannt' und schmerzt' auf seinen lippen das fieber.

62, 19. „Gabriel, geliebter!" und dann verhallte leise die stimme.

59, 4. Also von ihrem herzen wich der nebel und unter sich schaute.

59, 9. Schöner durch die trennung er war und schöner durch dauerndes schweigen;

5, 8. Felder mit obst, flachs und frucht nach westen und süden sich dehnten,

7, 1. Offen war's haus wie der tag, offen wie das herz des bewohners;

7, 2. Arm war, wer wohlhabend dort; im überfluss lebte die armut.

8, 1. Stammend aus Frankreich noch her, seit jahren als ehrwürd❜ges erbstück.

40, 8f. Majestätisch erhob sich in der näh' eine zeder Von ihr hingen herab des trompetenbaums und der rebe ...

Von einem verfasser derartiger verse darf es uns kaum wunder nehmen, dass er uns eine reihe von hexametern darbietet, die ganz aus einsilbigen, vielfach apostrophirten wörtchen bestehen (vgl. 60, 3).

Bemerkenswert sind auch folgende verse wegen der amüsanten art, in der sie ausgehen:

6, 12. Heim vom felde dann kamen die männer und feierlich sank zur

45, 21. Roten tau und zurück wird in sein gefängnis gebracht er.

48, 21. Stille, wie im gebet die seelen aus in die nacht, die 59, 20. Suchte die armut stets auf in elenden hütten der

stadt, Wo...

In diesen versen ist wenigstens äusserlich das richtige verhältnis zwischen hebung und senkung gewahrt. Aber es gibt verse, bei denen nicht einmal dies der fall ist. Hexameter mit auftakt finden sich in grosser menge. Vgl. s. 1, v. 13; 6, 16; 8, 12; 8, 20; 9, 1; 9, 6; 10, 11; 12, 17; 46, 19; 47, 5; 59, 3.

Auch kommt es vor, dass inmitten des verses auf eine hebung drei senkungen folgen. Vergleiche unter anderem: 10, 6. Er lehrete beiden das lesen Aus dem nämlichen buch mit hymnen und chorälen der kirche. 11, 19. Aus des fuchspelzes dicke prophezeiten indianische jäger.

55, 8. Als geendet die andacht und die hände des priesters

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Man sollte denken, der übersetzer hätte, um solche verse zuwege zu bringen, nicht erst nötig gehabt, auch der sprache gewalt anzuthun. Aber auch er macht von apostrophen, partizipialkonstruktionen, wiederholung substantivischer satzteile durch pronomina, verrenkungen der wortstellung und anderen unglücklichen mitteln hilfloser versifikatoren ausgiebigen gebrauch.

Verhängnisvoller noch sind die offenbaren sprachschnitzer, die dem übersetzer unterlaufen. 10, 20 lesen wir: „Oftmals

klimmten sie auch." 15, 4 hören wir von dem „,dunstwerk der märsche" (soll heissen marschen). In 43, 10 findet sich als apposition zu veranda: Munterer kolibris platz des spiels und der summenden bienen."

"

Dies mag genügen. Den leser, dessen sprachgefühl durch leistungen dieser und ähnlicher art nicht allzusehr empört ist, verweise ich noch auf folgende stellen: 3, 11; 5, 7; 7, 3; 7, 15; 9, 1f.; 9, 9; 11, 6f.; 12, 2; 17, 17.

Nun das verhältnis zum original: In nichts verrät sich die kunst und feinheit des dichters mehr als in der wahl der schmückenden beiwörter. Hier ist dem originale gegenüber die grösstmögliche treue zu bewahren. Knortz hat von dieser verpflichtung keine ahnung. Er verändert Longfellows beiwörter, vermehrt und vermindert sie nach willkür. Die folgenden beispiele sind in dieser beziehung instruktiv.

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V. 84. With a woodbine wreathing around it 8, 9. Umlaubt mit grünendem, kränzendem geissblatt.

86. In the meadow

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8, 11. In lachenden wiesen. 89. The blessed image of Mary- 8, 14. Bild der Marie. 93. The broad-wheeled wains 8, 18. Die wagen und karren.

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135. They glided away o'er the meadow

jauchzen die wiese durchsausend.

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10, 19. Mit

140. A few, swift years 11, 3. Wenige jahre. 189. the wooden and ponderous saddles 13, 10. Sättel von holz.

Aber auch sonst gibt es der inkorrektheiten in der wiedergabe des englischen textes genug. Man prüfe beispielsweise einmal nach, wie die verse 58-81 übertragen worden sind, und man wird sich darüber wundern, wie respektlos Knortz seinem original gegenüber handelt. Zum beweise, dass wir es

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