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Wie aber konnten sie etwas erreichen, da sie und ihr unterricht von schülern und kollegen mit geringschätzung angesehen wurden?

Die erfolge waren dementsprechend. Selbst in Paris sah es traurig aus. „Im deutschen als auch im englischen, schreibt Hahn 1847, bringen es die lehrer ohne eigene schuld, nicht einmal soweit, wie man in deutschen gymnasien im französischen kommt, und fügt er hinzu-man weiss, was das sagen will."1

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Bekanntlich hat man auch in Deutschland mit diesen fremden sprachmeistern schlechte erfahrungen gemacht, und man führt gerade diesen umstand als ein gewissermassen durch thatsachen gestütztes bedenken gegen die neue methode ins feld. Ganz mit unrecht. Denn was dereinst die maîtres de langues als ziel ihres unterrichtes betrachteten die mechanische vermittelung eines gewissen sprachstoffes und einer gewissen fertigkeit im gebrauch gebräuchlicher wörter und wendungen das betrachtet die neuere methode in gewisser hinsicht nur als unerlässliche vorbedingung, als notwendige grundlage für die möglichkeit eines tieferen eindringens in das verständnis litterarischer und philosophischer erzeugnisse eines von dem unseren verschiedenen volksgeistes. Mit dem unerlässlichen können aber soll zugleich eine unmittelbare erkenntnis der spracherscheinungen und des sprachgeistes vermittelt werden, eine aufgabe, die nur von wissenschaftlich gebildeten lehrern gelöst werden kann. Diese wissenschaftlich, pädagogisch und praktisch vorgebildeten lehrer aber sind jetzt vorhanden, und damit ist die hauptbedingung für die methode erfüllt. Die misserfolge also, die man lediglich durch ungeeignete massnahmen gezeitigt hat, sind in keiner weise gegen eine methode geltend zu machen, die ganz andere ziele verfolgt, und die auf ganz anderen voraussetzungen und grundlagen ruht.

Auch in Frankreich kam man schliesslich zu der überzeugung, dass für gedeihlichen unterricht in geeigneter weise vorgebildete einheimische lehrer unbedingt nötig sind. Man suchte diese lehrer nun zu erhalten, indem man auch für sie durch das dekret vom 11. oktober 1848 ein wissenschaftliches staatsexamen, die agrégation des langues vivantes, einrichtete. Aber kurz darauf, schon am 10. april 1852, wurde durch die

1 Hahn a. a. o. 460.

klerikale reaktion mit den übrigen auch dies examen wieder aufgehoben.

So blieb denn, zum grossen schaden Frankreichs, der unterricht in den neueren sprachen vernachlässigt; noch 1863 sind die zustände unverändert dieselben: die lehrerschaft meist ihrer aufgabe nicht gewachsen, der erfolg vereitelt durch die missgünstige haltung erbeingesessener kollegen. Das spricht der minister ziemlich unverhüllt selbst aus, denn er sagt:

Notre professorat des langues vivantes se compose en grande partie d'étrangers dont plusieurs (lisez: la plupart) avec du mérite n'ont point l'art de se faire écouter des élèves et de les maintenir en ordre.

Comme l'ancienne Université ne connaissait pas cet enseignement, on accuse la nouvelle de ne point l'aimer. S'il en était ainsi, elle ne serait pas de son temps. Avec les relations faciles et multipliées qui se sont établies entre les peuples, la connaissance des langues vivantes est une nécessité.'

Den stand des unterrichtes zeichnet Duruy kurz mit den

worten:

Nous ne devons pas craindre d'avouer que l'étude des langues n'a jusqu'à présent, produit que des résultats insuffisants; ..... bien des raisons, qu'il est inutile d'exposer ici, ont amené l'insuccès que nous déplorons. C'est une entreprise à reprendre.1

Die ganze sache war also von vorn anzufangen. Man kann eine ungefähre vorstellung von der schwierigkeit dieses unterfangens gewinnen, wenn man hört, dass es im jahre 1865 an den öffentlichen schulen in Frankreich im ganzen nur 174 lehrer der neueren sprachen gab, darunter nur 22, die das staatsexamen bestanden hatten, und 149, die nur einen lehrauftrag hatten; von diesen hatten nur 80 ihre befähigung nachgewiesen. In der that war es kein leeres wort des ministers, wenn er sagte, er wolle allenthalben nach dem rechten sehen. Auch den unterricht in neueren sprachen hat er nachdrücklich gefördert; gleich bei seinem amtsantritt fasste er die nötigen massnahmen ins ange, die geeignet waren den unterricht und die stellung und bildung der damit betrauten lehrer zu heben. Bei den schülern weiss er dem unterricht geltung zu verschaffen, indem er den neueren sprachen bei den schlussprüfungen den ent

1 Circulaires etc. s. 34. 35.

sprechenden einfluss zubilligt, er stellt diesen unterricht den anderen fächern gleich, indem er ihn schon 1864 als prüfungsfach bei dem berühmten concours général sowie in den concours académiques zulässt, für die aufnahme in Saint-Cyr eine neuere sprache fordert.

Je pense, Sire, schreibt er an den kaiser, qu'il conviendrait de relever cet enseignement au niveau des autres, d'abord en l'admettant au concours général de Paris et aux concours académiques des départements, et surtout en relevant la con

....

dition des maîtres qui le donnent.1

2

Um den lehrerstand zu heben, verordnet er 1864 das staatsexamen in neueren sprachen wieder, und damit stellt er diesen unterricht gleichberechtigt neben die anderen fächer und die lehrer, die ihn vertreten, auf dieselbe stufe, wie ihre übrigen kollegen. Er erkennt aber auch schon, dass neben der wissenschaftlichen die praktische durchbildung dieser lehrer ein unabweisbares bedürfnis ist, und dass diese praktische befähigung sich nur durch längeren aufenthalt im ausland erwerben lässt. Den lehrern hierzu gelegenheit zu geben, hält er mit recht für wichtiger, als eine besondere abteilung für die wissenschaftliche ausbildung in der École normale supérieure. Hierüber äussert er sich folgendermassen:

Pour assurer à ce personnel un recrutement meilleur, on a songé à créer une section des langues vivantes à l'Ecole normale supérieure. Je préférerais de beaucoup, sans repousser les étrangers, accorder à ceux de nos nationaux qui se distingueraient le plus au concours public des langues vivantes, le droit et les moyens d'aller passer un an à l'étranger pour achever de s'y familiariser avec l'idiome qu'ils auraient à enseigner.

Nun war selbstverständlich mit der erkenntnis der übelstände und den zweckmässigen massnahmen des ministers nicht gleich abhilfe geschaffen, die besserung und umgestaltung konnte nur überaus langsam vor sich gehen, und die auf so gesunder grundlage angebahnte gedeihliche entwicklung, die allenthalben widerstände zu überwinden hatte, würde vielleicht auch vereitelt

'Administr. 124.

2

L'agrégation pour les langues vivantes donne lieu aux mêmes avantages que les autres ordres d'agrégation. Art. 9 de l'arrêté du 5 décembre 1864.

worden sein, wenn die politischen ereignisse nicht auch den widerstrebenden die augen geöffnet und Duruy recht gegeben hätten. Man hatte in der that erst durch schaden klug werden müssen, ehe man allgemein zu besserer einsicht gelangte. Die fortschritte werden am besten dargestellt durch die wachsende zahl der lehrer. Während es, wie schon gesagt, 1865 im ganzen nur 174 gab, war die zahl bis 1887 schon auf 704 gestiegen, das heisst sie hatte sich in 20 jahren vervierfacht; nach der aufstellung von M. Arcambeau in Wychgrams zeitschrift unterrichteten 1895 an den höheren knabenschulen 1023 lehrer der neueren sprachen, und augenblicklich ist der bedarf an solchen lehrkräften in Frankreich völlig gedeckt; man hat sogar schon vorgeschlagen, die für studirende ausgesetzten stipendien zur fortsetzung ihrer studien im ausland zurückzuhalten. —

Wer die fortschritte der neueren sprachen feststellen will, wird ferner nicht unterlassen dürfen, auch auf die entwicklung der realanstalten einen blick zu werfen. Wenn schon die neueren sprachen sich nur schwer die gebührende stellung und achtung im lehrplan der gymnasien erringen konnten, so wurde es dem neubegründeten realunterricht noch schwerer, sein dasein zu behaupten, besonders da, wo er mit dem klassischen unterricht unter gemeinsamer leitung stand. Die altklassischen gymnasien wollten nicht einsehen, dass sie nicht mehr allein alle bildung vermitteln können, dass neben den zukünftigen beamten und gelehrten auch die kinder von millionen anderer staatsbürger ein recht auf erziehung und unterricht haben, der dem klassischen an wert ebenbürtig ist und deshalb ebenso hoch in der allgemeinen wertschätzung stehen muss, woraus sich ergiebt, dass man den klassischen unterricht wohl für gewisse berufe für besonders geeignet halten kann, dass er jedoch nicht für alle berufe die geeignetste vorbildung gibt, dass man ihm wohl gewisse vorrechte, keinesfalls aber alle rechte einräumen sollte. Trotz widriger umstände hat sich indessen auch in Frankreich das realschulwesen überraschend entwickelt. Ein bild giebt Gréard, und seine worte sind um so bedeutungsvoller, da hier der weit über jeder partei stehende leiter des gesamten pariser unterrichtswesens spricht.1

Gréard a. a. o. I, 43.

L'enseignement classique, sagt er, n'avait pas vu sans déplaisir élever à côté de lui, presque au même rang que lui, un enseignement qu'il s'était toujours refusé à admettre comme son égal. Il lui reprochait de vouloir s'imposer, alors qu'il n'aurait dú penser qu'à se faire accepter; il l'accusait, n'étant pas doté, de vivre aux dépens d'autrui; son nom même était considéré comme une usurpation. On n'avait pas compris que la création de cette nouvelle forme d'éducation secondaire aurait nécessairement pour effet de soulager les études classiques du poids de ceux qui étaient incapables de le suivre, qu'il répondait d'ailleurs à d'incontestables besoins de la société moderne, qu'il devait avoir, que dis-je? qu'il avait son élite d'esprits toute prête; on en faisait l'enseignement des déclassés.

...

Cependant telle est la force d'une conception juste, que, malgré les oppositions, les obstacles, les défaillances, la clientèle de ce enseignement si mal compris et si mal secondé, n'avait pas cessé de se développer.1

In der that zeigt die schülerzahl der realanstalten eine stete zunahme. Während der jahre 1865-1880 stieg im pariser schulbezirk die zahl der gymnasiasten von 2586 auf 3348, vermehrte sich also um 22,76%; die zahl der realschüler belief sich 1865 auf 1064 und erhöhte sich auf 2094, stieg also um 49,19%. Nach der statistik von 18873 besuchten ziemlich 59959 schüler gymnasien, die realanstalten dagegen 22887. Da jedoch die 19577 schüler der gemeinsamen lateinlosen vorklassen den gymnasien zugezählt sind, so sind die richtigen verhältniszahlen 40382 zu 22887. Es sind also nach jeder richtung hin ausserordentliche fortschritte gemacht worden. Auf die gegenwärtigen zustände, die heranbildung der lehrer, ihre examina und unterrichtlichen erfolge einzugehen, liegt keine veranlassung vor. Es ist hier einfach auf Hartmanns beobachtungen hinzuweisen, die alles wissenswerte bieten. Wer die prüfungen genauer verfolgen will, dem liefern die in der Revue universitaire abgedruckten aufgaben und programme, sowie die eingehenden berichte über die prüfungen die nötigen unterlagen. Ebenso unterrichtet, so

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* Baumeister, Die einrichtung und verwaltung des höheren schulwesens in den kulturländern von Europa und in Nordamerika, 457/58.

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