Joseph von Görres: aus Anlass seiner hundertjährigen Geburtsfeier in sinem Leben und Wirken dem deutschen Volk geschildert

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Herder'sche Verlagshandlung, 1876 - 696 pages
 

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Popular passages

Page 36 - Es ist unglaublich, welche Gewalt dieser Mann, damals selbst noch jung und unberühmt, über alle Jugend, die irgend geistig mit ihm in Berührung kam, nach allen Richtungen hin ausübte. Und diese geheimnisvolle Gewalt lag lediglich in der Großartigkeit seines Charakters, in der wahrhaft brennenden Liebe »zur Wahrheit und einem unverwüstlichen Freiheitsgefühl, womit er die einmal erkannte Wahrheit gegen offene und verkappte Feinde und falsche Freunde rücksichtslos auf Tod und Leben verteidigte,...
Page 43 - Meister, untereinander aber wie ein seltsames Ehepaar, wovon der ruhige, mild-ernste Arnim den Mann, der ewig bewegliche Brentano den weiblichen Part machte. Arnim gehörte zu den seltenen Dichternaturen, die, wie Goethe, ihre poetische Weltansicht jederzeit von der Wirklichkeit zu sondern wissen und daher besonnen über dem Leben stehen und dieses frei als ein Kunstwerk behandeln.
Page 44 - Porträt es verziert war; andrerseits eine Probe- und Musterkarte der neuen Bestrebungen: Beleuchtung des vergessenen Mittelalters und seiner poetischen Meisterwerke...
Page 83 - Was alle wünschen und verlangen, soll in ihnen ausgesprochen werden; was alle drückt und plagt, darf nicht verhohlen bleiben; einer muß sein, der da die Wahrheit zu sprechen verbunden ist, unumwunden, ohne Vorbehalt und Hindernis. Denn nicht geduldet, nein geboten muß die...
Page 43 - Wortes wie ein Dichter, Brentano dagegen selber wie ein Gedicht, das, nach Art der Volkslieder, oft unbeschreiblich rührend, plötzlich und ohne sichtbaren Übergang in sein Gegenteil umschlug und sich beständig in überraschenden Sprüngen bewegte.
Page 44 - Grundton war eigentlich eine tiefe, fast weiche Sentimentalität, die er aber gründlich verachtete, eine eingeborene Genialität, die er selbst keineswegs respektierte und auch von andern nicht respektiert wissen wollte. Und dieser unversöhnliche Kampf mit dem eigenen Dämon war die eigentliche Geschichte seines Lebens und Dichtens...
Page 24 - Es gab eine Zeit, wo ich die Menschen auch in moralischer Hinsicht für wahre Antiken, für mehr oder weniger vollendete Ideale, ansah; diese glücklichen Tage der Täuschung sind längst vorüber.
Page 301 - Die teutschen Volksbücher. Nähere Würdigung der schönen Historien-, Wetter- und Arzneybüchlein, welche theils innerer Werth, theils Zufall, Jahrhunderte hindurch bis auf unsere Zeit erhalten hat.
Page 157 - Menschenfluten gestanden und sind heute, was sie vor Jahrhunderten gewesen. So stehen die Grundpfeiler von Religion und Ethik in der Geschichte, sie zieht hindurch, umspült sie, brandet an ihr und reibt sie glatt, vermag aber nicht, sie zu erschüttern: denn ihr Bau ist nicht Menschenwerk, sondern Gottes Anstalt, an dem die Zeit abgleitet und an dem alle ohnmächtigen Versuche des Angriffes zunichte werden.
Page 35 - Sein durchaus freier Vortrag war monoton, fast wie fernes Meeresrauschen, schwellend und sinkend, aber durch dieses einförmige Gemurmel leuchteten zwei wunderbare Augen und zuckten Gedankenblitze beständig hin und her; es war wie ein prächtiges nächtliches Gewitter, hier verhüllte Abgründe, dort neue ungeahnte Landschaften plötzlich aufdeckend und überall gewaltig weckend und zündend fürs ganze Leben.

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