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bereitet gegenwärtig noch allein diesen Theer, und von dort aus wird er nach Holland ausgeführt.

Nach dem Essen machten wir einen langen Spaziergang z durch die Wiesen und Viehweiden an der Maas und lagerten uns auf dem üppig hervorgrünenden Klee an einem Damme, Eum die Sonne im Strom sich spiegeln zu sehen. Seine ganze

Oberfläche war wie der Sternenhimmel, nur unendlich dichter mit funkelnden und flimmernden Punkten befået, indem der leichte Wind die Oberfläche des Wassers krauselte und in jedem : Rändchen, das sich erhob, ein Strahl zurückgeworfen ward. Dichter und dichter gefået, verschränkten sich in Reihen und Glieder - die Funken, bis sie senkrecht unter der Sonne zusammenflossen in ein Silbermeer von Licht, das blendend vor uns lag. Die zarten Blüthen unseres Rasenbettes hielten wir über uns in das Licht, gegen den Azur des Himmels; da schien uns ihr Rosenroth in das unermeßliche Blau hineingehaucht; von der Sonne durchschimmert schien ihr Wesen von ätherischer Substanz; so rein und zart sind die Farben und die Gewebe der Tausendkunstlerin Natur!

Auf diesen schönen Abend folgte ein trüber nebliger Morgen. Wir ließen uns über die Maas sehen und fuhren in einem offenen Wagen über die Insel Rosenburg an den südlicheren Arm desselben Flusses, wo wir nochmals übersehen mußten, um unsern Einzug in die neue kleine Festung Briel zu halten, den ersten festen Plak, den die Niederländer den Spaniern ́entrissen. Ein anmuthiger Weg von wenig mehr als zwei Stunden, durch frische Saaten, fette Wiesen und unabsehliche Felder von Oelrettig, führte uns endlich hierher nach Helvoetsluis, wo wir eine Anzahl der schönsten holländischen Kriegsschiffe theils im Hafen vor Anker, theils im Werfte abgetakelt liegen sahen. Die niedrige Gewinnsucht, die sich hier den Zeitpunkt zu Nuge macht, wo die Reisenden, indem sie den guten Wind oder die Abfertitigung des Packetboots abwarten müssen, ohne Rettung in ihren Krallen liegen, scheint in der That das moralische Gefühl der hiesigen Einwohner fast ganz erstickt zu haben; indeß sind es nicht die Einheimischen allein, sondern auch Ausländer, die jene verächtliche Rolle spielen und ihre kleine Tyrannei ungeahndet an den Vorüberziehenden ausüben. Wir sind von dem allgemeinen Loose der Reisenden an diesem Orte nicht verschont geblieben; aber keine Mishandlung, die uns noch begegnen kann, wird den

guten Eindruck schwächen, den unsere Reise durch Holland in unserm Gedächtnisse zurückläßt. Das Bild einer freien und arbeitsamen, gesunden und wohlgekleideten, genügsamen und reinlichen, gutgearteten und durch Erziehung zu einer auf Grundfah ruhenden Tugend gebildeten Nation sei auch mit ihrer Ruhe Geichgültigkeit und Kålte, mit ihrer Einfalt Einseitigkeit und Beschränktheit, mit ihrer Emsigkeit kleinliche Liebe des todten Eigenthums zuweilen unvermeidlich verbunden bleibt uns dennoch ein erfreuliches, versöhnendes Exemplar der Menschheit, das uns zumal für jenen scheußlichen Anblick belohnt, den die erschlaffte, zur herz- und geisttödtenden Sclaverei unter dem Joche der papistischen Hierarchie so tief herabgesunkene mensch liche Natur in Brabant, bei so viel mehr versprechenden Anlagen uns gewährte.

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Mit dem siebenundzwanzigsten Briefe schließen die Ansichten Forster's, so weit er sie selbst bearbeitet hat; sein Tod hinderte ihn an der Ausführung des Rückständigen. Was noch folgt ist aus dem Nachlasse durch L. F. Huber gerettet und der Originalausgabe als dritter Band (Berlin, 1794) nachgesandt worden. Es sind die Notizen, die sich Forster während seiner Reise in England unmittelbar aufgezeichnet hatte; als Anhang ist die Geschichte der Kunst in England vom Jahre 1789 beigefügt, die als Seitenstück zu den Abhandlungen über englische Literatur für Archenholz' Annalen der brittischen Geschichte geschrieben wurde, so wie einige Notizen, die sich Forster in der Shakspear- Galerie und in Sir Ashton Livers Museum gemacht hatte. Gervinus.

I.

London.

1. Ausstellung der königlichen Akademie.

Die Ueberschrift des Verzeichnisses scheint anzudeuten, daß die Akademisten selbst wohl gefühlt haben, wie gering die Anzahl großer Stücke in der diesjährigen Ausstellung ist. Das: In tenui labor, ist in so fern richtig, wie hier eine große Menge kleiner, unbedeutender Sachen hängen, die freilich auch ihren Antheil von Arbeit kosteten. Aber ist auch mehr als Arbeit darin? Vor dieser Frage fürchteten sich die brittischen Künstler wohl selbst, als sie ihr zweideutiges Motto aufdruckten. Es ist wahr, die Zimmer sind voll; aber so schönes Licht sie auch, insbesondere das Hauptzimmer, von oben erhalten, sehr klein und der Indolenz der Herren Akademiker angemessen. Eine sehr kleine Anzahl von großen Gemälden würde sie ausfüllen; daher erhibiren die großen Meister nichts und lassen dem kleinen Troß mit seiz nen Staffelei und Kabinetstückchen den Plas.

Reynold's Fleiß ist vor den übrigen doch bemerkenswerth. Wenigstens hången verschiedene Portraits von seiner Meisterhand da, die seine reiche, mannigfaltige Phantasie, seinen gebildeten Geist, seinen Sinn für das Idealischschöne und seine Grazie verrathen. Mistriß Billington's Apotheose hat großes Verdienst. Die ganze schöne Figur steht da in zauberischer Einfalt; und was hat er nicht alles aus dem Leben gehascht, was nicht alles in dieses Gesicht gelegt, das sie selbst ist, und doch auch sie, in jenen Augenblicken, wo sie mehr als sie selbst ist! Ihr Gewand ist so ganz ohne alle Koketterie des Pinsels einfach schön, daß es nicht das Auge wegzieht von dem schönen seelenvollen Kopfe; und selbst die Hånde können, meint man, das Notenbuch nicht anders halten. Es ist so recht; und man denkt nicht weiter dran, sondern hångt mit Ruhe und Genuß an diesem Auge, diesen Lippen, diesen Harmonien himmlischer Gestalten, welche sich auf ihrem Antlihe zu einem hohen Einklange verschmelzen. Die kleinen Genien, die ihr Haupt umschweben, mögen nur plårren und gestikuliren; ich sehe sie nicht und höre sie nicht und wer könnte das vor einem solchen Wesen!

Die sechs andern Portraits haben eigne Kraft im Ausdruck, Mannigfaltigkeit in der Darstellung und Kennzeichen der festen, geübten Hand des erfahrnen Meisters.

Rigaud's Werke verdienen hier die nächste Stelle. Sim son, der seine Bande zerreißt, ist eine vortreffliche Akademie; es ist mehr: ein sehr edles Gemälde. Simson's Kopf ist schon ge= dacht, der Kopf eines schönen Mannes, der hohe Indignation haucht, indem er sich von den Folgen einer niedrigen Ueberlistung befreiet. Die Nebenfigur ist nicht so interessant und wohl nicht erschrocken genug, wenn es die Verrätherin sein soll. Doch in diesen Fällen verzeihet man dem Künstler immer lieber zu wenig als zu viel Ausdruck, wenn er nur Schönheitssinn

blicken läßt.

Ein schöner Kopf nach der Natur, von ebendemselben, ist mit Guido's Engeln verwandt; aber er hat mehr rosige Wärme als sie. Des Künstlers eigene Familie ist sehr brav gemalt.

Hodges. Auch der Landschaftsmaler kann phantasieren, dich ten und aus den schönen Zügen der Natur das Vollkommenste erlesen und vereinigen, das Erhabene fassen und den Zuschauer mit sich fortreißen in idealische Welten. Wer wird diesem Künst

ler Genie absprechen können? Seine Figuren sind indeß nicht mit seinen Landschaftsmalereien zu vergleichen.

Marlow. Außerordentlich schön und treu nach der Natur kopirt. Aussichten! Man möchte bei diesen Bildern oft fragen: ist dies von diesem Meister, jenes von jenem? so unåhnlich sehen sie sich und so wahr ist jedes in seiner Art.

Hamilton. Salomon's Bewirthung der Königin von Saba! Dieses Stück gehört zu denen, von welchen der Künstler zu urtheilen pflegt: sie haben Verdienst. Allein dieses Verdienst ist Machwerk und sonst nichts. Was läßt sich auch von einem Gastmahl Interessantes erwarten? Man siht bei Tisch und ißt, oder sieht einander an. Warum wählen aber die Maler solche Süjets? Je nun! Je nun! Sie müssen wohl, wenn sie historische Stücke malen wollen. Der Lord, der dieses bestellte, that es aus Eitelkeit. Es ist gleichsam nur Carton zu einem Gemålde auf Glas, welches Se. Lordship in dem Fenster der Kirche auf seinem Landsize anbringen läßt. — Mylord hat das Vergnügen, seiner Eitelkeit zu fröhnen, indem er die Kirche beschenkt; und er selbst sigt da portraitirt als der weiseste König. Die Königin von Saba ist seine Nichte, Mistriß Howard; und eine dritte Figur ist ebenfalls aus seiner weiblichen Verwandtschaft. Das gibt denn freilich einen Salomon und eine Königin, die der Kunstliebhaber nicht bewundern kann!

2. Westminster - Ubtei. Messias, am 3. Junius.

Ein Bild von der Beschäftigung der Seligen im Himmel. Das Chor der Sängerinnen siht sehr gedrängt; es ist wenig Plas im Himmel: daher muß man sich in Zeiten um Tickets bei den Geistlichen bemühen.

Ueber der Orgel im Fenster stehen die Patriarchen in Glasmalerei, welches die Aehnlichkeit mit dem Himmel noch vollständiger macht! Die hellen durchsichtigen Farben so werden sie dort leuchten und zuhören; und da sie sonst nichts zu thun haben, so können sie eben sowohl auch nur in Glas gemalt da stehen.

Das Orchester ist an dem Amphitheater über dem westli chen Eingange. Zuoberst im Hintergrunde steht die Orgel; noch höher, auf einem schmalen Gange, mit dem Gipfel der Orgel

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